Di-Fr 12–18 Uhr | Do 12–22 Uhr | Sa-So 11–17 Uhr

Hannes Binder –
Die doppelte Lektüre

Hannes Binder gelingt es wie kaum einem anderen, Literatur in sprechende Bilder zu übertragen. Angefangen mit Friedrich Glauser hat der Zürcher Illustrator zahlreiche Werke als Comic, Graphic Novel oder in einzelnen Bildern adaptiert und Porträts von Dichterinnen und Schriftstellern geschaffen. Parallel tritt Binder auch als Autor und Zeichner eigener Geschichten in Erscheinung – zur Ausstellung erscheint sein neuester Band «Der digitale Dandolo».

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Wild Card 10*
Parallel zur Ausstellung «Die doppelte Lektüre» findet eine Reihe von sechs Projekten Statt, die sich mit Themen um Erinnerung, Andenken und Vergessen befassen.
Programmübersicht

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Informationen zur aktuellen Situation:
Museum wieder geöffnet ab 12. Mai / Ausstellung verlängert bis zum 26. Juli

Fantastische Kompositionen in Schwarz und Weiss: Seit gut dreissig Jahren verbindet Hannes Binder in seiner Schabkartontechnik Realität und Fiktion. Sowohl nach literarischen Vorlagen wie auch bei eigenen Geschichten verdichtet er Raum und Zeit, Architektur und Natur zu komplexen Bildern.

«Ich suche nach einer Illustration, die parallel neben dem Text steht; ich wiederhole den Text in einer Überhöhung. Das erste Anliegen ist, meine Perspektive einzubringen. Ich frage mich, was kann ich noch neu machen. Viel liegt mir auch daran, Authentizität einzubringen, vor Ort zu gehen, an die Schauplätze, an denen die Geschichten spielen. Immer finde ich dort noch Dinge, die ich mir gar nie hätte vorstellen können. Beim Illustrieren ist aber auch der Surrealismus sehr geeignet als Mittel, weil er über die Realität hinausführt – so dass man mehrere Sachen gleichzeitig ins Bild bringen kann.

Es ist ein schmaler Grat zwischen Gewinn und Verlust in Literaturadaptionen. Man muss im Bild eine ähnliche Qualität bringen, wie sie die Sprache hat. Das ist eine Art Übersetzen in eine andere Sprache – die Bildsprache.
Beim Lesen muss man zwei Sprachen kombinieren, das heisst: nicht nur lesen, sondern auch schauen. Diese Doppelung verlangt sehr viel, eine zweifache Arbeit und die Bereitschaft, sich auf etwas einzulassen, was vielleicht nicht auf Anhieb verständlich ist – Bilder zu lesen ist ja etwas unglaublich Schwieriges.

In meinem Nachtgebet wünsche ich mir immer, dass irgendwann mehr Leute den Reiz der doppelten Lektüre erkennen.

In Italien nennt man das Verfahren des Schabkartons „Incisione finta“, beschissener oder vorgetäuschter Holzschnitt. Ich verwende Karton, der mit einer Gipsfarbenschicht belegt ist und darüber ein dünner Film Schwarz. Und das schabe ich mit einem Messer weg und es entsteht eine weisse Linie. Man nennt mich immer den Schwarzmaler und meint das auch ganz im negativen Sinne: der, der alles so schwarz sieht. Im Gegenteil, was ich mache, ist Weiss-Malen – es entsteht Licht.

Ich habe zwar immer sehr gerne meine eigenen Geschichten veröffentlicht – aber lange Zeit konnte ich die schönen Dinge, das, was ich wirklich umsetzen wollte, nur am Rande machen.
Und damit wären wir nun bei der Segen-Seite des Schabkartons: der hohe Wiedererkennungseffekt. Ich bin jetzt einfach der schwarze, der geschabte Binder. Ich habe wider allen Rat an meiner Technik festgehalten und am Schluss hat sich das ausgezahlt: Ich bin inzwischen quasi mein eigenes Label – „Ich bin der Binder“.»

Mit Illustrationen nach Texten von
Heinrich Böll, Friedrich Dürrenmatt, Hans Magnus Enzensberger, Friedrich Glauser, Kurt Guggenheim, Heinz Janisch, Franz Kafka, Gottfried Keller, Eduard Mörike, Johanna Spyri / Peter Stamm, Lisa Tetzner / Hans ten Doornkaat und Urs Widmer

Hannes Binder (*1947) ist in Zürich aufgewachsen und hat an der Kunstgewerbeschule Zürich studiert. Seit 1972 ist er als freiberuflicher Illustrator für Zeitungen, Zeitschriften und Buchprojekte tätig, seit 1988 verfasst er eigene Comic- und Bilderbücher; seine Werke ist vielfach ausgezeichnet und und übersetzt worden.
Binder hat an den Gestaltungsschulen f+f, HGKZ, Punkt G und HSLU unterrichtet, seine Werke in diversen Einzel- und Gruppenausstellungen in Museen und Galerien gezeigt (u.a. 2016 im Strauhof) und zahlreiche Preise und Stipendien erhalten; das Schweizerische Literaturarchiv hat 2018 seinen Vorlass übernommen. Er lebt und arbeitet in Zürich und im Tessin.


Der digitale Dandolo
Das neueste Werk von Hannes Binder, «Der digitale Dandolo», erscheint anlässlich der Ausstellung im Limmat Verlag.

Reader zur Ausstellung
In «Hannes Binder – Die doppelte Lektüre» sind Materialien, Bilder und Texte aus der Ausstellung abgebildet. Zudem spricht Hannes Binder in einem langen Interview über seine Bilder, die Illustration als künstlerisches Mittel und seinen Werdegang als Künstler.
108 Seiten, Abbildungen s/w, herausgegeben von Rémi Jaccard, gestaltet von Atelier POL
12 CHF | auf Rechnung

GIF Reader Hannes Binder Ausstellung Strauhof

Bestellung unter info@strauhof.ch


Pressestimmen

«Schon hier wird klar: Dieser Illustrator ist ein perfektionistischer Meister, der mit seiner Technik dynamische Perspektive und enorme Sogwirkung in seelisches Zwielicht überführt.» Hansruedi Kugler, CH-Media

«Mit einer Technik, die aus dem 19. Jahrhundert stammt, bringt er Friedrich Glauser, Gottfried Keller, Heinrich Böll oder Mörike in unsere Gegenwart.» Stefan Busz, Züritipp

«Hier ist nicht alles nacherzählt, aber die Stimmung ist ohne Abstrich eingefangen. Vielleicht besser: neu erzeugt. Und gerade deswegen muss man das Bild lesen. Seine Werke funktionieren auf zwei Ebenen. Da ist einmal der erste Eindruck, diese magische Sekunde, in der das Wichtigste ins Auge tritt: worum es geht und wohin die Sache zielt. Also Stimmung und Sinn. Binder fängt beides ein, scheinbar leichtfüssig und ohne Zögern. Dann folgt für den Betrachter der eigentliche Lektürevorgang. […] so wird auch unser Auge geführt, wenn wir es nur einmal dem Bild anvertrauen.» Manuel Müller, NZZ

«Alles zerfliesst bei ihm. Der Strich, mit dem Hannes Binder eine Strasse ritzt, schwillt zum Fluss. Vor einem Bildschirm sitzt ein Skelett, das Kabel gleitet aus seinem Rücken und schlängelt sich zur Steckdose wie ein Wurm. […] Sogar die Zürcher Hardbrücke, auf der sich der Verkehr durch die Nacht windet, kommt einem unheimlich vor, düster wie das Paris von Tardi, dem französischen Cartoonisten, der die Detektivromane von Léo Malet visualisierte.» Jean-Martin Büttner, Tages-Anzeiger


Kuration: Rémi Jaccard
Szenografie: Simon Husslein
Grafik: Atelier Pol
Video: Carlotta Holy

Leihgaben und Digitalisate
Hannes Binder, Schweizerisches Literaturarchiv, Limmat Verlag

Mit freundlicher Unterstützung der
Ernst Göhner Stiftung