Friedrich Glauser –
Ce n'est pas très beau

«Ce n’est pas très beau» – so beendet Friedrich Glauser (1896–1938), ein Jahr vor seinem frühen Tod, seinen Lebensbericht. Dada und Morphium, psychiatrische Anstalten und die Fremdenlegion, eigene Inhaftierungen und Kriminalromane: Leben und Werk haben sich bei ihm eng verzahnt. Die Ausstellung zeichnet die Stationen von Glausers Leben nach und horcht auf die Zwischentöne seines Schreibens.

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Friedrich Glauser ist als einziger Schweizer Autor 1917 an der Entstehung der Dada-Bewegung in Zürich beteiligt, doch erst 20 Jahre später feiert er als Krimi-Autor erste Erfolge. Die Ausstellung im Strauhof schafft einen räumlichen und atmosphärischen Zugang zu ausgewählten Werken wie «Gourrama», «Wachtmeister Studer» oder «Matto regiert».

Mit «Ce n’est pas très beau» beendet Glauser selbst, ein Jahr vor dem frühen Tod, einen Brief an Josef Halperin (Lebensbericht). Genauso passend ist das Fazit aber auch für den Inhalt seiner Werke: Die Schauplätze seiner Erzählungen reichen von einer psychiatrischen Anstalt bei Bern bis zur Fremdenlegion in der marokkanischen Wüste und unterstreichen die wiederkehrenden Motive von Einsamkeit und Ausweglosigkeit, Rausch und Sehnsucht, die auch sein Leben geprägt haben. Lange schreibt er ohne grossen Erfolg. Erst dank der Erfindung seines Protagonisten Wachtmeister Studer in den 1930er-Jahren wandelt sich die Wahrnehmung vom internierten Autor zum Vater des deutschsprachigen Kriminalromans. Bis heute faszinieren Glausers Werke durch ihre dichte Atmosphäre und die präzisen Schilderungen und Charakterstudien.

In der Ausstellung sind sowohl Originaldokumente aus dem Schweizerischen Literaturarchiv, dem Stadtarchiv Zürich und der Privatsammlung von Bernhard Echte als auch Illustrationen von Hannes Binder zu Glausers Schaffen zu sehen. Ebenso finden sich Auszüge aus späteren Verfilmungen und Aufführungen seiner Werke. Zudem schaffen ExpertInnen wie der Verleger Bernhard Echte, der Kriminologe Martin Killias, der Psychiater Daniel Strassberg oder Schriftstellerin Sabina Altermatt  mit ihren Kommentaren zeitgemässe Bezüge zu Glauser. Im Zentrum der Inszenierung steht jedoch Glausers Sprache, die anhand zahlreicher Zitate sichtbar gemacht wird.

Die Eröffnung findet am Tag des 120. Geburtstags von Friedrich Glauser statt.
Die Ausstellung wird im Rahmen des Jubiläums dada100zürich2016 präsentiert.

Glauser und die Schweiz
Kommentare von Bernhard Echte, Christa Baumberger, Hannes Binder und Sabina Altermatt; Video: Katinka Kocher, Produktion: Strauhof

«Ich frage mich oft, warum es das Schicksal gewollt hat, dass ich ausgerechnet als Schweizer auf die Welt gekommen bin und nun ‚Schweizer’ Romane schreibe, die gar nicht schweizerisch sind, weil alles von aussen gesehen ist und ich eigentlich wenig innere Beziehung habe zu den Menschen, von denen ich schreibe. Es wäre viel günstiger, ich würde über die Entwurzelten schreiben, obwohl das ebenfalls nicht stimmen würde.» -Friedrich Glauser, Brief an Martha Ringier, Waldau, 28.4.1935

Glauser und der Cafard
Mit Daniel Strassberg, Martin Killias, Christa Baumberger, Hannes Binder und Bernhard Echte; Video: Katinka Kocher, Produktion: Strauhof 2016

«Cafard – ein Wort, das sich nicht übersetzen lässt. Es ist nicht Heimweh  – obwohl Cafard ohne einen Schuss Heimweh nicht denkbar ist. Melancholie? Melancholie heißt schwarze Galle – und ein <cafard> ist ein schwarzer Käfer – genauer: eine Küchenschabe. […] Viel kann aus dem Cafard entstehen: Desertion, Gehorsamsverweigerung, sinnloses Saufen, Messerstecherei, Selbstmord. […] Cafard ist ansteckend … Ansteckender als beispielsweise Typhus – gegen den es immerhin einen Impfstoff gibt. Wie also, wenn der Cafard eine ganze Kompagnie ergreift? Was gibt es dann? Revolte! Aufruhr!» -Friedrich Glauser, Gourrama (1928-30)

«Wie viel er «konnte», bei allen Widrigkeiten, mit denen er ein Leben lang zu kämpfen hatte, wird dem Besucher dieser stimmigen Ausstellung sehr bewusst. Sie macht mit Einblicken in seine Werke und Briefe erneut klar: Glauser war ein unglaublich hellhöriger, aufmerksamer Zeitgenosse. Voller Gespür und Verständnis fürs Allzumenschliche, wach und weitsichtig im politischen Bereich. Ein schöpferisch begabter Frühreifer, kritisch gegenüber dem bürgerlichen Milieu, auch dem er stammte, ein Milieuschilderer erster Güte.»
Angelika Maass: «Zwischen Wunsch und Verzweiflung». In: Der Landbote, 13. Februar 2016.

«Die Schau im Strauhof zeichnet den verschlungenen Lebensweg eindringlich nach. Vor allem aber entwickelt sie bildmächtig, mit Dokumenten und wunderbaren Illustrationen von Hannes Binder, zentrale Themen seines Lebens, die das Werk umspielt: die Fremdenlegion, die Figur des Wachtmeisters Studer, der «Cafard», die psychiatrische Klinik oder das Verhältnis zur Schweiz.»
Thomas Ribi: «Gefangen in Mattos Reich». In: NZZ, 4. Februar 2016.

«Szenograf Simon Husslein lässt uns also die Treppenstufen hinabsteigen, «ins dunkle Reich, in dem Matto regiert». Die Decke hängt tief, den schwarzen Korridor verstellen hintereinander gestaffelte Nachbildungen des Fenstergitters der psychiatrischen Poliklinik Burghölzli.»
Julia Stephan: «Im dunklen Strudel des Drogenrauschs». In: Neue Aargauer Zeitung, 6. Februar 2016.

«Der Ausstellung «Friedrich Glauser – Ce n’est pas très beau» gelingt es gerade durch die Konzentration auf das Glausersche Wort, das Glausersche Leben zwischen Sucht, psychiatrischer Klinik, Gefängnis, Fremdenlegion, aber auch mit intensiven Freundschaften und grosser literarischer Produktion erfahrbar zu machen.»
Franziska Hirsbrunner: «Lebenswerk und Leidensweg: Friedrich Glauser im Strauhof». In: SRF Kultur, 6. Februar 2016.

Reader «Friedrich Glauser – Ce n’est pas très beau»
Eine abgründige Sammlung von Texten, Dokumenten und Fotografien von und über Glauser. Herausgegeben von Christa Baumberger und Rémi Jaccard, gestaltet von POL Grafik / Juliane Wolski.
-vergriffen-


Mit freundlicher Unterstützung von Stadt Zürich | Kultur, Fachstelle Kultur | Kanton Zürich, Engagement Migros, AVINA Stiftung und Ernst Göhner Stiftung.

Kuration
Christa Baumberger (SLA) und Rémi Jaccard (Strauhof)

Szenografie
Simon Husslein

Grafik
 Juliane Wolski und Marc Zenhäuser (POL Grafik)