Frankenstein
Von Mary Shelley
zum Silicon Valley

Vor zweihundert Jahren kommt es als Fiktion auf die Welt: Frankensteins Monster. Mary Shelleys Klassiker des Horrorgenres erzählt die Geschichte des Menschen als Schöpfer und der Kreatur als verlorenes – und sich selber suchendes – Wesen. Eben da trifft die Erzählung heute einen Nerv, in Zeiten von Künstlicher Intelligenz und sprechender Geräte: Welchen Status haben die digitalen Schöpfungen, mit denen wir immer öfter interagieren als wären es Menschen?

-Exhibition in German and English-

-Ausstellung bis 20.1. verlängert!-

«Frankenstein or The Modern Prometheus» erscheint am 1. Januar 1818 erstmals anonym. Der Roman von Mary Wollstonecraft Shelley (1797–1851) erzählt die Geschichte des jungen Wissenschaftlers Viktor Frankenstein, der einen künstlichen Menschen erschaffen hat. Die Geschichte warnt vor einer entgrenzten menschlichen Vernunft, die sich selbst zu Gott macht und sich anmasst, ein lebendes Wesen nach seinem Bild zu schaffen.

«Ich war durch meine Entdeckung dermassen kühn geworden, dass ich nicht einsah, warum mir nicht sofort die Herstellung eines Wesens gelingen sollte, das so kompliziert und wundervoll ist wie der Mensch.»

Mary Shelly: Frankenstein

«Frankensteins Monster» ist anfangs weder böse noch gut, sondern eher naiv. Erst mit der Zeit lernt es, und macht Erfahrungen, die dazu führen, dass es eine Identität herausbilden kann – ähnlich dem «deep learning», das heute für die Künstliche Intelligenz postuliert wird. Trotz seiner gut gemeinten Annäherungsversuche erfährt das neu geschaffene Wesen immer wieder das feindselige Verhalten der Menschen. Enttäuschung, Einsamkeit und Selbstmitleid schlagen schliesslich in Hass gegen den Schöpfer um.

200 Jahre nach der Publikation von Mary Shelleys Gruselklassiker wiederholt sich das Motiv: Forscherneugierde schafft ein künstliches Wesen. Es verselbständigt sich und jagt dem Schöpfer gehörig Angst ein. Ausgehend von den literarischen Bezüge des Originals folgt die Ausstellung der These: Würde das Werk heute geschrieben, wäre das Monster kein zusammengezimmertes Wesen aus Fleisch und Blut, sondern eine digitale Existenz, eine unkontrollierbare KI, die vor allem als Stimme auftritt. Die Fragen bleiben dieselben: Welchen Status haben künstlichen Wesen? Können sie Teil der Gesellschaft werden? Wie autonom dürfen sie sein? Sind Siri, Alexa, Cortana und Co. auch intelligente Wesen – oder bleiben sie letztlich technologische Monstrositäten?

Two hundred years ago they were introduced to the world as fiction: Frankenstein and his creature. 

The brilliant scientist Victor Frankenstein creates an artificial being, which he abandons. At first, this creature is neither good nor bad. But being rejected because of its hideous appearance, in the end, it turns against its creator.

With «Frankenstein; or, The Modern Prometheus», 19-year-old Mary Shelley has invented a new genre combining scientific progress with elements of a ghost story. The fascination and fear her tale still evokes have shaped our relation with emerging technologies to this day.

Mary Shelley’s science fiction novel is more relevant than ever: in Silicon Valley and beyond, the development of artificial intelligence systems is progressing at a frantic pace. After all, some of today’s brightest scientists are working on self-learning entities that can think and act autonomously.

The exhibition links key moments of «Frankenstein» with the vision of self-aware AI-beings: quotes and interviews, movie clips and chatbots shed light on the author’s biography and Frankenstein’s myth – and on contemporary research into artificial intelligence.

Den Roman zum 200-Jahre-Jubiläum auch auf die digitalen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts hin zu befragen, liegt also nahe. […] Trotz einer Fülle an Material lässt [die Ausstellung] genug Raum, um die Besucher nicht in ein gedankliches Korsett zu zwängen. Sie lässt Lust für alle weiteren Phantasien, Zweifel und Widersprüchlichkeiten, die eine solche Lesart mit sich bringt.
Tobias Sedlmaier: «Frankenstein trifft Chatbot», in: NZZ, 5. Oktober 2018

Man erhält, unterstützt von Experten wie Elisabeth Bronfen und Philipp Theisohn (im Video-Interview), das Bild einer überaus lebenstüchtigen, für ihre Zeit erstaunlich emanzipierten Frau, die 16-jährig mit dem damals noch verheirateten Dichter Percy Shelley durchbrannte, durch halb Europa streifte und nach Shelleys frühem Tod sich und ihre Kinder als freie Autorin allein durchbrachte.
Martin Ebel: «Von Frankensteins Monster zum Chatbot», in Tages-Anzeiger, 5. Oktober 2018

«Frankenstein» hat dieselben Fragen aufgeworfen, wie sie heute zu künstlicher Intelligenz zu stellen sind: Welchen Status haben «menschliche» künstliche Wesen? Wie autonom dürfen sie sein? Wer übernimmt die Verantwortung für sie? Was trauen wir ihnen zu? Und auch: Was trauen, was muten wir uns Menschen zu?
Urs Bader: «Frankenstein ist zurück», in: St. Galler Tagblatt, 19. Oktober 2018

Die Ausstellung macht ungemein neugierig, auch mit Zitaten von E. T. A. Hoffmann bis Isaac Asimov oder Peter Diamandis und Stephen Hawking. Der Luftfahrtingenieur Diamandis sagt eine Verbesserung der Lebensqualität von acht Milliarden Menschen durch KI vor aus. Der Astrophysiker Stephen Hawking schrieb: «Die Entwicklung einer starken KI könnte das Ende der Menschheit bedeuten.»
Thomas Waldmann: «Von Frankenstein zum Roboter», in: Basler Zeitung, 12. November 2018

Frankensteins Monster werden sich aus den Buchseiten, von den Kinoleinwänden und den Screens erheben und unter uns wandeln. Aber nicht als hässlich aus Leichenteilen zusammengeflicktes, fleischliches Etwas, sondern als cleane, schöne, Engeln ähnliche Kreationen. Übermenschen, die sich aufmachen mögen, gemeinsam das Weltall zu kolonialisieren.
Simone Meier: «Wir wollen viel zu viel», in watson, 15. November 2018

Pressespiegel

Reader «Frankenstein»
Herausgegeben von Rémi Jaccard und Philip Sippel, gestaltet von Schmauder Und.
Zürich 2018, 118 Seiten.
ISBN: 978-3-9524547-8-7 | 12 CHF | Erhältlich im Strauhof

Kuration: Roland Fischer, Rémi Jaccard, Philip Sippel
Szenografie: Klauser Lienhard. Design Studio
Grafik: Schmauder Und
Illustration: Julia Kuster
Sprecher|innen: Thomas Douglas, Fabienne Hadorn, Thomas Sarbacher, Nils Habermacher

Expert|innen: Elisabeth Bronfen, Jacqueline Feldmann, Benjamin Grewe, Marion Sardone, Philipp Theisohn, Steve Worswick