Kurt Marti –
Eros. Engagement. Endlichkeit

Kurt Marti ist ein Mann des Worts: Er sammelt, er schreibt, er dichtet, er predigt und er engagiert sich. Anlässlich seines 100. Geburtstags präsentiert der Strauhof eine Ausstellung zu diesem bis heute prägenden Schriftsteller, Pfarrer und Aktivisten.


***Ab 14.9. ist ein gültiges Covid-Zertifikat Voraussetzung für den Besuch von Ausstellung und Veranstaltungen***


Kurt Marti (1921 – 2017) ist einer der wichtigsten Vertreter der Schweizer Literatur des 20. Jahrhunderts, insbesondere auch aufgrund seiner Verbindung von engagierter Lyrik und theologischer Reflexionen.

Diese vielfältigen Tätigkeiten verbindet sein Umgang mit Sprache und Lyrik. Entsprechend ist der Ausgangspunkt für die Ausstellung der «Wortwarenladen», eine von Kurt Marti angelegte Sammlung von poetischen Wörtern, die er seinen Lektüren entnimmt und notiert. Als Gegenstück wird sein Vermächtnis als Autor, der sich immer auch als Sprachschöpfer wie als Sprachkritiker zu erkennen gibt,  anhand einzelner Begriffe wie «Automobilmachung», «Ichberg», «kirchenförmig», «Matriot» aus seinem Werk exemplarisch nachgezeichnet.

Im zweiten Teil der Ausstellung wird sein Schaffen als Dichter gewürdigt: In drei Räumen folgt die Ausstellung den Themen Engagement, Erotik, Endlichkeit in Martis Werk und spürt dabei der Verbindung von Glaube, gesellschaftlichem Engagement und Sprache nach. Dabei wird nicht zuletzt sichtbar, wie sich Marti von der Konkreten Poesie inspirieren lässt und wie er zum Wegbereiter einer neuen, modernen Mundart-Lyrik wird. Beide sind untrennbar mit Marti als engagiertem, aufgeklärten Zeitgenossen verbunden.

wo chiemte mer hi
wenn alli seite
wo chiemte mer hi
und niemer
giengti
für einisch z’luege
wohi das me chiem
we me gieng

Kurt Marti ist ab 1949 Pfarrer, von 1961 – 1983 wirkt er an der Nydeggkirche in Bern. Er ist überzeugt, dass die Suche nach einem zeitgemässen sprachlichen Ausdruck für Glaubensfragen nicht ohne Sprachwitz gelingen kann. Dazu denkt er auch über die Gemeinsamkeiten von Gedicht und Predigt nach. Martis Bedeutung als Erneuerer der Mundartliteratur aufgrund des Erfolgs seiner Gedichte «ir bärner umgangschprach» steht in engem Bezug zu jener als «Dichterpfarrer». In eigenständiger Weise repräsentiert er, weit über den Schweizer Kontext hinaus, eine produktive und anspruchsvolle Verbindung von Protestantismus, Literatur und Politik – Martis Texte sind zugleich christlich und gesellschaftspolitisch motiviert.

Pressestimmen

Mithilfe eines kommentierten Vokabulars aus Neologismen (wie „Automobilmachung“) und für Marti zentralen Begriffen öffnen die Kuratoren zudem direkte Zugangswege zum schriftstellerischen Werk und machen damit auch dessen Gattungsvielfalt und Themenreichtum erfahrbar. Marti hat sich ausgedrückt in Lyrik, Tagebucheintrag und aphoristischer Zuspitzung, in Essayistischem, Predigt und Sprachexperiment.
Tjorbörn Bergflödt: «Im Wortwarenladen von Kurt Marti», in: Südkurier, 24.9.2021

Sexualität war für Marti nie ein Gegensatz zur Spiritualität. Zärtlichkeit hielt er für eine Tugend; sein theologischer Leitsatz war, dass Gott Liebe ist.
Vor allem aber hatte Kurt Marti ein sinnliches Verhältnis zur Sprache. Das Wort war ihm immer auch Klang, und seine formale Strenge verband er mit sprachspielerischer Leichtigkeit.
Daniel Weber: «Von der Sprache besessen», in: Weltwoche, 16.9.2021

Unter der Überschrift «Bodentiere» findet sich als erstes der Eintrag «affenbös», von Else Lasker-Schüler. Unter «Lebensalter» der Begriff «Surdität». Man sieht, solche Listen sind Residuen aus den Sprachspielfreuden der Kindheit – auch «Wahnflamme» von Friedrich Wolfskehl, und der «Wunschseufzer» von Oskar Pastior gehören dazu. […] Kein Wunder, dass Marti dieses Schnipselwerk bis zuletzt um sich hatte.
Marie Louise Knott: «Vom Glück der Kindheit», in: perlentaucher, 14.9.2021

Marti bleibt nicht nur als der Dichter im Gedächtnis, der die Mundartlyrik vom Ruf der Heimattümelei befreite. Er ist auch Kämpfer des Christentums in seiner nächstenliebenden Urform. Man kann sich das erlesen, aber auch etwa einen Teil des erotischen Romans «Die Riesin» hören. Oder die Diskussion aus dem Jahre 1971 sehen mit dem kommunistischen Intellektuellen Konrad Farner, aufgrund derer Marti die Professur an der Universität Bern verwehrt wurde. Das alles erfreut und erheitert. Und zeigt: Auch den heute Lebenden hat Marti noch viel zu sagen. […]
Valeria Heintges: «Kurt Martis Kurzkunst im Literaturmuseum Strauhof» in: St. Galler Tagblatt, 13.9.2021

Kurt Martis «Wortwarenladen» ist ein Kosmos, in dem man sich verlieren kann. Eine Schatzkiste mit Wörtern, die einen zum Lachen bringen, ärgern oder verunsichern. Und einen auf Schritt und Tritt darauf verweisen, dass wir von der Welt nur das einigermassen verstehen können, wofür wir ein Wort haben.
Thomas Ribi: «Die Welt ist nichts als ein Knäuel von Wörtern», in: NZZ, 27.8.2021

Publikation
Zur Ausstellung erscheint der «Wortwarenladen» im Verlag von Urs Engler, Band 6 der Neuen Sammlung. ISBN 978-3-906050-84-3 – 246 Seiten – s/w – hrsg. Von Muriel Fischer, Rémi Jaccard, Andreas Mauz und Philip Sippel. Mit einem Nachwort von Andreas Mauz

Kuration
Rémi Jaccard, Andreas Mauz und Philip Sippel

Grafik
Büro 146

In Kooperation mit
Kurt Marti-Stiftung

Unterstützt von
Ernst Göhner Stiftung, Stanley Thomas Johnson Stiftung, Stiftung Pro Scientia et Arte