Carl Seelig –
Drei Briefwechsel

Literatur entsteht nie im luftleeren Raum. Es braucht Helferinnen und Helfer. Umso mehr, wenn die Umstände – sei es das Exil, eine existenzielle Krise, die Psychiatrie oder schlicht Armut – die Literatur zum Schweigen bringen. Der Zürcher Journalist, Schriftsteller und Mäzen Carl Seelig war ein Sprachrohr der bedrohten Literatur.

Carl Seelig (1894–1962) war mit zahlreichen berühmten, vergessenen und wieder zu entdeckenden Autorinnen und Autoren befreundet. Über 10 000 Briefe haben sich in seinem Nachlass erhalten, die sein Engagement für Exilautorinnen und -autoren während des Zweiten Weltkriegs ebenso schildern, wie seine Förderung junger Schreibender als Mentor, Herausgeber und unermüdlicher Rezensent. Aus diesem Schatz zeigen der Strauhof und das Robert Walser-Archiv drei ganz besondere Briefwechsel.

Mit dem Nobelpreisträger Hermann Hesse (1877–1962) beginnt Seeligs Karriere als Literaturenthusiast noch während des Ersten Weltkriegs: Seelig liest Hesses Bücher im Grenzschutz und widmet dem Bewunderten eigene Gedichte. Als Hesse ins Tessin zieht, unterstützt er den Autor, der sich in Montagnola als Maler entdeckt, mit Malutensilien, Büchern und Lebensmitteln und ruft ihm zu: «Und wenn Sie mich wieder brauchen, so rufen Sie!»

Die heute zu den wichtigsten Schweizer Lyrikerinnen zählende Erika Burkart (1922–2010) hat erste Gedichtbände veröffentlicht, als Seelig ihr einen begeisterten Brief samt Rezension schickt. Es folgen regelmässige Treffen in Zürich und im Haus Kapf in Aristau, wo Burkart wohnt. Seelig wird ihr «Lebenspass», der ihre «stets gefährdete» Existenz «mittragen» hilft, wie Burkart einer gemeinsamen Freundin schreibt.

Als Robert Walser (1878–1956) in die psychiatrische Klinik Herisau interniert wird, versucht Seelig die Entlassung zu bewirken, besucht ihn als einziger regelmässig während über zwanzig Jahren und erinnert mit Neuausgaben seiner Werke an den verstummten Autor. Seelig spricht sich eng mit den Schwestern Lisa und Fanny Walser ab und bindet die Freundin Frieda Mermet ein. Die Ausstellung zeigt zum ersten Mal auch deren Briefe.

Die Ausstellung «Carl Seelig – Drei Briefwechsel» ruft den mittlerweile kaum mehr bekannten Seelig in Erinnerung, der vor sechzig Jahren in Zürich verstarb. Er war eine zentrale Randfigur der Literaturgeschichte.

Vernissage
Fr, 14. Oktober 2022, 18 Uhr
Gesprächsrunde mit Martin Dreyfus, Bernhard Echte und Manfred Papst
Gespräch im Lavaterhaus/ Ausstellung im Strauhof. 

Publikation zur Ausstellung
Carl Seelig: Briefwechsel. Herausgegeben von Pino Dietiker und Lukas Gloor. Berlin: Suhrkamp 2022.

In Kooperation mit
Robert Walser-Zentrum in Bern.