Migros-Pionierfonds und Strauhof

Flex

Während der dreijährigen Pilotphase 2015–2018 geht der Strauhof der Frage nach, wie ein Museum anders funktionieren und damit neue Besuchergruppen erreichen könnte. Der Migros-Pionierfonds ermöglicht dieses Projekt.

Das Kooperationsprojekt «Flex» ist auf drei Jahre angelegt. In dieser Zeit fragen wir: Was passiert, wenn wir den gewöhnlichen Ausstellungsbetrieb um neue Ansätze ergänzen? Was geschieht, wenn der Strauhof auch nachts besucht werden kann? Womit sprechen wir Leute an, die nicht zu den regelmässigen Besuchern von Literaturausstellungen gehören?

Mit dem experimentellen Pionierprojekt «Flex» machen wir uns auf die Suche nach neuen Publikumskreisen und hinterfragen konventionelle Ausstellungsmuster. Mit der Unterstützung des Förderfonds Engagement Migros bleibt der Strauhof beispielsweise ein Jahr lang jeden Donnerstag bis um Mitternacht geöffnet. Dieses «Engagement nocturne» erweitern wir mit einem Rahmenprogramm. Schliesslich interessiert uns, wie eine Literaturausstellung erzählt und gerahmt werden kann, damit sie ein breites Publikum erreicht.

Von Ausstellung zu Ausstellung werden wir zusammen mit Partnern Interventionen und Experimente entwickeln. Am Ende eines solchen Experiments fragen wir: Was hat funktioniert? Was lässt sich weiterentwickeln auf der Suche nach dem «anderen» Museum? Für das Ausstellungs-Projekt und die Experimente wird der Museumsbesuch zum «Reality-Check»: In der Konfrontation mit den Besuchern werden hier die Ideen für ein «anderes» Museum getestet, beobachtet und schliesslich evaluiert.

Hier werden die durch das Kooperationsprojekt ermöglichten Experimente und Interventionen dokumentiert. Während der drei Jahre der Pilotphase entstand an dieser Stelle ein öffentliches Archiv, welches allen Interessierten zur Verfügung steht.

Das Audioguide-Hörspiel

Die Autorin Renata Burckhardt hat für die Ausstellung «Mars – Literatur im All» ein Hörspiel entworfen, das die Besucher durch die Ausstellung führte. Dieses neue narrative Format überzeugte in der Umsetzung. In der Dokumentation sind unsere Überlegungen zur Entstehung und das Feedback von Kritikerinnen einzusehen.

Das Hörspiel führte die Besucher während 50 Minuten durch die Ausstellung. Ein im All gestrandeter Astronaut erzählte von Einsamkeit und Wahnsinn, dem unendlichen Willen, der erforderlich ist, auf engstem Raum die nicht endende Reise durch das Weltall zu überstehen. Von der schroffen, poetische Oberfläche des Mars: Sie alle wurden Teil der Führung. Die Autorin Renata Burckhardt entwarf das Skript zur Ausstellung. Es machte einen ungewöhnlichen Parcours durch den Strauhof möglich.

Aus dem Hörspiel:
«Seit 2012 fährt Curiosity, ein Forschungsroboter der NASA, einsam über den Mars und untersucht Gestein, Atmosphäre, Strahlung – und schickt Selfies zur Erde. Die NASA wills wissen: Eignet sich die Biosphäre von Mars für Leben? Ist Leben auf dem Mars möglich? Was für eine Frage… was für eine verlogene hinterhältige Frage… und sie funktioniert, ihr steigt darauf ein! Naiv wie ihr seid. Ja! Anstatt zu fragen: Ist das nicht schon lange geklärt?! Geh zum nächsten Track…»

Dokumentation
Das Hörspiel kann weiterhin online angehört werden. Auch ohne sich in der Ausstellung zu befinden, bietet es eine spannende Narration. Der Strauhof stellt die folgenden Dokumente für Kulturschaffende und Interessierte zur Verfügung:

Dokument Strauhof
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The Martian-Chronicles von Ray Bradbury

Eine Lese-Reihe in der Ausstellung «Mars – Literatur im All»

An 9 Donnerstagen lasen Schauspieler und Schauspielerinnen  aus «Die Mars-Chroniken» von Ray Bradbury. Alle Lesungen wurden aufgezeichnet und jeweils am Sonntag auf Radio Stadtfilter ausgestrahlt. Mit der Ausstrahlung der Lesungen auf einem Lokalsender wurde gezielt versucht, auch ein junges Publikum ausserhalb der Stadt Zürich anzusprechen.

Interpretieren und Kommentieren

Enthierarchisierung im Ausstellungsraum: Wie funktioniert ein Kommentar? Ein Experiment zur polyphonen Kommentierung in der Ausstellung «Friedrich Glauser – Ce n’est pas très beau»

Fünf Zitate von Friedrich Glauser, dazu die Kommentare von sechs Experten: Das war die Anordnung im ersten Raum der Glauser-Ausstellung. Hier lernten die Besucher Selbsteinschätzungen Glausers kennen und konnten miterleben, wie unterschiedliche Sichtweisen zu den selben Zitaten formuliert wurden. Eingeladen, die Selbstbeschreibungen Glausers zu kommentieren waren der Verleger Bernhard Echte, die Literaturwissenschaftlerin Christa Baumberger, der Künstler Hannes Binder, die Autorin Sabina Altermatt, der Kriminologe Martin Killias und der Psychiater Daniel Strassberg.

Einen Überblick zur Anordnung in der Austellung und den Überlegungen des Strauhofs gibt es in diesem Dokument.

Experimentelle Formate: Der Schreib-Walk-Shop

In den Ausstellungen «Friedrich Glauser – Ce n’est pas très beau» und «Gomringer & Gomringer – Gedichte leben» erprobte der Strauhof ein neues Format: den Schreib-Walk-Shop.

Das Format Schreib-Walk-Shop ist aus der künstlerischen Praxis der Spazierkünstlerin Marie-Anne Lerjen entstanden. Ihre Agentur für Gehkultur entwickelt immer neue Geh-Experimente, welche den Mitgehenden eine vertiefte Wahrnehmung des Stadtraums ermöglichen. Für den Strauhof wurde das genaue Beobachten unterwegs mit einem Schreibimpuls verknüpft. Im Anschluss an einen kurzen Parcours durch die Ausstellung wurden auf einem gemeinsamen Spaziergang durch den städtischen Raum Eindrücke gesammelt und Notizen gemacht. Sie bilden eine reichhaltige Grundlage für nach dem Spaziergang produzierte Texte. Ausserdem ist aufgrund des gesammelten Materials der Einstieg ins Schreiben sehr niederschwellig und bietet sich auch für Leute mit wenig Schreiberfahrung an. Das Format richtet sich an Ausstellungsbesucher, die selbst gerne kreativ betätigen und sich durch Ausstellung und durch den Spaziergang zu eigenen Texten inspirieren lassen möchten. Die Ausgestaltung des Schreib-Walk-Shops (Fokus, Ablauf, Route) war vom jeweiligen Thema der literarischen Ausstellung im Strauhof inspiriert.

www.lerjentours.ch

Schreiberfahrung in einer dunklen Gasse nahe dem Strauhof: Schreib-Walk-Shop «Ins Dunkle» zur Ausstellung «Friedrich Glauser – Ce n’est pas très beau» | Foto: Mike Flam

Das Anarchie-Archiv

Die Ausstellung «Anarchie! Fakten und Fiktionen» versammelte 35 verschiedene Beiträge zu Anarchie und Literatur von eben so vielen Gast-Kuratoren. Zusätzlich ermöglichte ein «Archiv» den Ausstellungsbesuchern, über 14 Themenfelder wie «Schweiz», «Gewalt», «Alltag», «Feminismus» oder «Theorie» in die Geschichte des Anarchismus einzutauchen. Die BesucherInnen konnten Archiveinträge kopieren und mit nach Hause nehmen.

Blättern im Anarchie-Archiv in der Rubrik «Revolution». Ein Kopiergerät stand bereit, damit die BesucherInnen Einträge mitnehmen konnten. | Foto: Zeljko Gataric

Neue Formate: Veranstaltungen im Ausstellungsraum

Im Strauhof finden die unterschiedlichsten Veranstaltungen wie Vorträge, Workshops, Lesungen und Performances oftmals direkt im Ausstellungsraum statt. Dies kann zu unerwarteten und bereichernden Interaktionen zwischen Ausstellungsraum, Performern und Besuchern führen. 

(Anarchistischer) DIY–Möbelbau-Workshop mit der Autorin Ann Cotten im Rahmen der Ausstellung «Anarchie! Fakten und Fiktionen» | Foto: Silvio Heuberger
Auf Spurensuche im «Comic-Workshop für Kinder» im Rahmen der Ausstellung «Gomringer & Gomringer – Gedichte leben». | Foto: Silvio Heuberger
Performance «Zweifel im Rausch» in der Ausstellung «Schreibrausch – Faszination Inspiration» | Foto: Strauhof

Soft-Partizipation in der Ausstellung «Schreibrausch»

An der Schnittstelle von digitalem Raum und einer (analogen) Schreibmaschine konnten die Besucher und Besucherinnen der Ausstellung «Schreibrausch – Faszination Inspiration» an einem Text mitschreiben. 

Foto: Zeljko Gataric

Mit einer Schreibmaschine im Strauhof konnten Besucher und Besucherinnen einen Text fortsetzen, von dem immer nur die letzten 10 Zeilen sichtbar waren. So entstand während der Ausstellung ein grosser «cadavre exquis» in der Form eines Textes, in Anlehnung an das berühmte Spiel der Surrealisten.

Die analoge Schreibmaschine war digital erweitert. Wer auf dieser tippte, schrieb automatisch am Text mit, der vollständig und in Echtzeit im WEB synchronisiert wurde. Entstanden sind Schreibmaschinen-Gestotter, kleine poetische Momentaufnahmen, Variationen zu Wolfgang Koeppens legendärer Schreibblockade und andere Verweise auf die Ausstellung. Der so entstandene Text ist hier vollständig einsehbar.

Das Wort ergreifen

Wie fühlt es sich an, selbst eine Rede zu halten? Ein Interface aus Kamera, Screen und Teleprompter erlaubt in der Ausstellung «Das Wort», berühmte Reden von Cicero bis Merkel nachzusprechen. Besucherinnen können Ausschnitte aus insgesamt neun historischen Reden auswählen, der historische Hintergrund wird in das Filmbild hineingerechnet.

Ein Ausstellungsbesucher spricht den Ausschnitt aus George W. Bushs Rede zur Lage der Nation vom 29. Januar 2002 nach. Bush prägte darin den vielzitierten Ausdruck «Achse des Bösen».

Foto: Zeljko Gataric

Neben dem Reden-Interface haben die Interaction Designer von Studio Naut für die Ausstellung «Das Wort» zusätzlich eine Video-Installation entwickelt, auf der alle von Besucherinnen nachgesprochenen Reden angesehen werden können. Wer mag, kann sich seine Rede per Mail zuschicken lassen.

Veranstaltungs-Archiv im Rahmen von Flex

Werbung Konkret – Ein Oral History-Abend über die ABM-Werbung. Mit Eugen Gomringer, Ernst Hiestand, Ursula Hiestand. Moderation: Martin Heller

Anarchist Playlist – Bringe deinen anarchistischen Song mit oder performe ihn selbst
DIY-Workshop mit Ann Cotten – Anarchistischer Möbelbau im Strauhof und Performance bei «How to Waste Time» (Parallel Event der Manifesta 11)
Alternativen leben – Oral-History-Abend mit P.M. alisa Hans Widmer, Thomas Sacchi (Genossenschaft Kalkbreite) und Almut Rembges (Bblackboxx)
Comic-Workshop für Kinder – Anarchie mit dem Strapazin Comicmagazin
Who writes his_tory? – Wikipedia Schreibwerkstatt zu Literatur, Kunst, Feminismus. Mit Wikimedia Schweiz und artplusfeminism.org
Anarchisten Prozesse – Lesung aus den Prozess-Protokollen des Sissi-Mörders Luigi Lucheni

Andenken aus Glausers Welt – Ihr Porträt von Oliver Zenklusen
Düsteres Dickicht – Live-Zeichnen und Comic-Workshop für Kinder mit Strapazin Comicmagazin
Ins Dunkle. Schreib-Walk-Shop mit lerjentours. Agentur für Gehkultur
Der Fall Glauser – Lesung aus den 1700 Aktenstücken zu seinem Leben

Reading Mars – Mooc Premiere mit dem Forschungsprojekt «Conditio extraterrestris»

Himmelskibet – Stummfilmvorführung und Live-Vertonung, mit IOIC
Dystopien – Lesung mit Heinz Helle und Stefan S. Guse